Tirol holt sich internationale Expertise bei der Dekarbonisierung

Öffentlicher Verkehr in Groningen als Vorbild
  • Lokalaugenschein: LR Zumtobel mit Tiroler Delegation in den Niederlanden
  • Tiroler Dekarbonisierungsstrategie definiert Ziele

Das Land Tirol hat das Ziel, seinen öffentlichen Verkehr bis 2035 auf 100 Prozent emmissionsfreie Antriebe umzustellen. Der Verkehrsverbund der Region Groningen in den Niederlanden ist Tirol fünf Jahre voraus: Im Jahr 2020 wurde die Hälfte der damals aus 360 Bussen bestehenden Flotte emmissionsfrei betrieben. Um aus den Erfahrungen der niederländischen KollegInnen auch für Tirol Impulse, Umsetzungsideen und Wissenswertes mitzunehmen, besuchte Mobilitätslandesrat René Zumtobel mit einer Tiroler Delegation kürzlich die Region Groningen im Norden der Niederlande. Der Verkehrsverbund Tirol (VVT) bereitet sich zusammen mit den Innsbrucker Verkehrsbetrieben (IVB) bereits umfassend auf die Dekarbonisierung im Tiroler öffentlichen Personennahverkehr vor – neben LR Zumtobel waren daher auch VVT-Geschäftsführer Alexander Jug sowie Vertreter von IVB und Postbus beim Lokalaugenschein dabei und informierten sich vor Ort über Vorgehensweise, die rechtlichen, finanziellen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen sowie die bislang gewonnenen Erkenntnisse.

„Tirol soll eine der Vorreiterregionen bezüglich dekarbonisierter und zukunftsweisender Mobilität werden. Hierfür bedarf es Visionen und einer Orientierung an aktuellen Vorreitern – lernen von den Besten heißt, ihre Erfahrungen zu nützen, Fehler nicht zu wiederholen und die Strategie konsequent zu verfolgen“, sagt Landesrat Zumtobel nach der Reise.

Groningen als Best-Practice-Beispiel: CO2-Fußabdruck um 90 Prozent reduziert

Fast die Hälfte der Busflotte in den Provinzen Groningen und Drenthe, ebenfalls im Norden der Niederlande, sind bereits emissionsfrei: insgesamt sind dies 164 elektrische Depot- und Gelegenheitslader und 32 mit Wasserstoff betriebene Elektrobusse – eingesetzt je nach Strecke und Aufgabe. So konnte man im öffentlichen Verkehr den CO2-Fußabdruck bereits um 90 Prozent reduzieren. Auch finanziell würde sich die Umstellung rechnen:

„Der batteriebetriebene Bus ist zwar teurer in der Anschaffung, jedoch aufgrund von geringeren Betriebskosten, längeren Betriebslaufzeiten und effizienterem Einsatz insgesamt sogar günstiger“, so Hein Renes, Finanzmanager des Verkehrsverbundes Groningen Drenthe. Renes resümiert zum Erfolgskonzept weiter: „Der richtige Bus, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort.“

Bei den Fahrzeugen als auch bei der Ladeinfrastruktur setzt man auf verschiedene Hersteller, um das Risiko zu streuen. Strategisch wichtige Betriebshöfe werden in der öffentlichen Hand behalten.

Notwendigkeit zur Dekarbonisierung – Tiroler Öffis bis 2035 emissionsfrei

Das Land Tirol verfolgt gemeinsam mit dem VVT das auf europäischer Ebene vorgegebene Ziel, die Mobilität in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln.

„In der EU ist der Verkehrssektor für fast 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Davon entfallen 72 Prozent auf den Straßenverkehr. Während in anderen Sektoren die Treibhausgase sinken, verzeichnet der Verkehrssektor weiterhin eine Zunahme. Das ist für mich ein klarer Handlungsauftrag“, so Klimaschutzlandesrat Zumtobel.

Bis 2027 werden in Tirol bereits 136 Fahrzeuge auf emissionsfreien Antrieb umgestellt sein – begonnen wird bei Linien, auf denen Öffis in einem dichten Taktnetz verkehren. Im Jahr 2027 wird der letzte neue Dieselbus in Tirol in Betrieb gehen. Nach einer Evaluierungs- und weiteren Planungsphase folgt die vollständige Dekarbonisierung aller 640 Fahrzeuge der VVT Regiobusse bis 2035. 

Der gemeinsame Besuch in Groningen bei dem niederländischen Pendant des VVT, OV-Bureau, und dem innovativen Verkehrsunternehmen Qbuzz lieferte den Tiroler Verantwortlichen wichtige Einblicke.

„Es ist nicht die Frage ob, sondern wie wir den Weg der Dekarbonisierung gemeinsam gehen. In Groningen konnten wir einen Verkehrsverbund kennenlernen, der schon einen Schritt weiter ist und viel aus seinen Erfahrungen lernen“, so VVT-Geschäftsführer Alexander Jug.

Auch in Tirol befindet man sich derzeit in der Testung verschiedener Antriebsformen und der Planung der Flächen für die Ladeinfrastruktur.

„Technologische Veränderungen bedeuten Herausforderungen, jedoch vor allem auch Chancen für ein Dienstleistungsunternehmen“, ist sich Thomas Hillebrand, Projektleiter Dekarbonisierung bei den IVB, sicher.

Beim Besuch einer der größten Ladedeponien sieht Denise Heinrich, Immobilien Verantwortliche bei der Postbus AG, die Beschaffung der Technologie und die Errichtung der Betriebshöfe als Hauptaufgabe in den nächsten Jahren.

Factbox:

OV Bureau (Verkehrsverbund Groningen und Drenthe) und Qbuzz:

  • 290 Millionen Personenkilometer/Jahr (2019)
  • 27 Millionen Fahrgäste/Jahr (2019)
  • Rund 400 Busse
  • 164 Depot- und Gelegenheitslader 
  • 10 „elektrifizierte“ Betriebshöfe mit Wasserstofftankstellen an drei Standorten
  • 32 mit Wasserstoff betriebene Elektrobusse
  • Knapp die Hälfte der Busse bereits „emissionsfrei“, andere Hälfte mit „Biodiesel“ (HVO)