Aus weniger mehr machen

Das Biomassekraftwerk in Gerlos beim Zillertal ist seit 2013 in Betrieb und versorgt circa 140 Haushalte und zahlreiche große Hotels mit Wärmeenergie. Stabil, ohne größere Unterbrechungen, zur Zufriedenheit aller Abnehmer*innen. Und dennoch gab es ein Problem.

Erschienen: Juli 2024 / LESEDAUER: 4 Minuten / Erfahre hier mehr Über Biomasse

In Gerlos wollten alle mitmachen. Über 95 Prozent der Gebäude im Ort, mit dabei auch zahlreiche große Hotelbetriebe, sind an das Biomassekraftwerk der Gemeinde angeschlossen. Diese hohe Anschlussdichte ist bemerkenswert und sehr erfreulich, wie es die Betreiber beschreiben. Aber eben dennoch auch mit Begleiterscheinungen – die bestehenden Biomassekessel stießen mit der vorhandenen Kapazität an ihre Grenzen.

Von der Not zur Tugend

Die Betreiber*innen stellten sich vor gut drei Jahren die Frage, wie sie dieses Luxusproblem lösen könnten. Klar war, das Heizkraftwerk braucht mehr Leistung. Und anstatt eines neuen, größeren Biomassekessels kam es am Ende zu einer anderen, zum einen einfachen, aber auch durchaus komplexen und in vielen Stücken genialen Lösung. 

Eine Lösung, die laut Geschäftsführer Klaus Flörl, bei geschätzt der Hälfte der bestehenden Biomasseheizkraftwerke in Tirol auch möglich wäre.

Das Herzstück

Und zwar haben sich die Verantwortlichen des Biomasseheizkraftwerks dafür entschieden, einen großen Schritt in Richtung Zukunft zu gehen und in den bestehenden, geschlossenen Heizkreislauf eine sogenannte Lithiumbromid-Absorptionswärmepumpe zuzuschalten. Klingt kompliziert? Ist es vermutlich auch zumindest für nicht Techniker*innen. Dennoch lässt es sich denkbar einfach erklären.

Erstmal Wärme tauschen

Beim Heizprozess in den Biomassekesseln entstehen Rauchgase mit sehr hoher Temperatur, welche bisher nach einem Filterprozess in die Atmosphäre ausgestoßen wurden. Nun wird die Abwärme genutzt. Diese zusätzlich gewonnene Energie aus dem Rauchgas wird mithilfe der Wärmepumpe verwendet, um das Temperaturniveaus des Rücklaufs des Fernwärmenetzes zu erhöhen. Im Biomassekessel muss somit anschließend weniger Brennstoff eingesetzt werden, um die gewünschte Vorlauftemperatur der Fernwärme zu erreichen.

Vereinfacht gesagt

Aus weniger mach mehr. Gerlos macht sich schlicht und einfach die heißen Abgase, die früher durch den Kamin ausgestoßen wurden, zunutze und verwertet sie in nutzbare Energie. Das Ergebnis sind ungefähr 1.200 kW zusätzliche Leistung. Das entspricht einer Steigerung von rund 25 Prozent mehr produzierbarer Wärme. Oder anders ausgedrückt, das Biomassekraftwerk Gerlos braucht rund 25 Prozent weniger Biomasse und hat nun wieder genügend Kapazitäten für den weiteren Anschluss neuer Abnehmer*innen. Das sind wirklich gute Nachrichten, besonders da die Biomasse zwar nachhaltig in Tirol genutzt wird, aber trotzdem nicht endlos ausgebaut werden kann. Da kommt jede zusätzliche Lösung die zum Ausbau erneuerbarer Energieträger beiträgt, in diesem Fall mit der Nutzung der Abwärme, gerade recht.

Seit gut einem Jahr ist die Wärmepumpe in Betrieb und läuft von Anfang an ohne Probleme. Amortisiert ist diese Investition planmäßig in fünf bis sechs Jahren. Und was ist in Zukunft geplant? Geplant ist, die noch recht hohe Abwärme die Biomassekessel ebenfalls nutzen. Anhand von Luftwärmepumpen. Aber das ist ein Zukunftsprojekt, meint Klaus Flörl.

In gewisser Hinsicht ist Gerlos bereits in der Zukunft angekommen. Mit der enorm hohen Anschlussdichte und der nun integrierten Wärmepumpenlösung leistet die Gemeinde viel Vorarbeit für andere Heizkraftwerke, wie sie in zahlreichen Tiroler Gemeinden stehen. Wir wünschen uns vor allem im Hinblick auf TIROL 2050 energieautonom, zahlreiche Nachahmer*innen!

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